Brides, Bones & Mexican Stones
Galerie Duflon Racz
Gerechtigkeitsgasse40, 3011 Bern
14. August – 19. September 2020
Renée Magañas künstlerische Praxis kreist um das Organische, Körperliche, und somit um die Spannung zwischen Leben und Tod, um Traum und Erinnerung, Vergänglichkeit und Zerfall. Grundlage dafür ist ein persönliches Archiv der Erinnerungen, eine Sammlung von Objekten und Bildern (z.B. Tierknochen, Fotografien, anatomische Zeichnungen) die ein komplexes Netzwerk der Assoziationen bilden.
Brides, Bones
Dabei bezieht sich die Künstlerin oft auf ihre mexikanische Herkunft: Die Serie "Brides and Grooms" verweist auf die in Mexiko verbreiteten Schreine im privaten Raum, in denen Objekte mit symbolischer Bedeutung, wie z.B. der Brautkranz, aufbewahrt werden. Es sind Gedenkstätten, die – wie auch der Lebensbaum in der mesoamerikanischen Mythologie – die kosmologische Ordnung bestätigen und zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft vermitteln. Gleichzeitig verweist Magaña auf die mexikanische Tradition der Skelett- Darstellungen (calaveres), insbesondere die bekannten Stiche und Karikaturen von José Guadalupe Posada (1854 — 1913). Skelette werden mit schwarzem Humor dargestellt, oft in modische Kleider gehüllt, manchmal geschminkt, als würde die tote Figur zum Leben erweckt oder in der Lebenden der Tod schlummern – eine spezifisch Mexikanische Version der Vanitas oder des Memento Mori.
Die Serie der "Enamoradas (Brides and Grooms)" entsteht fortlaufend seit einer Mexiko Reise im Jahr 2014, bei der die in Kalifornien geborene und aufgewachsene Künstlerin begann, sich mit ihren mexikanischen Wurzeln auseinanderzusetzen und Verbindungen zu ihrer künstlerischen Praxis herzustellen. Sie sammelte bereits seit vielen Jahren Knochen und andere organische Materialien oder Textilien, die zu filigranen Figuren verarbeitet werden. Einige der verwendeten Materialien stammen aus Mexiko, insbesondere beim Figurenpaar "Los Enamorados (Moctezuma y Malintzin)" (2018/2020), bei dem die Figuren namentlich identifiziert sind: Moctezuma, der letzte Herrscher der Azteken, und Malintzin oder (meist beschimpfend) La Malinche, die von den Spaniern Doña Marina genannte Übersetzerin des Conquistadors Hernán Cortés, die als Verräterin an ihrem Volk eine komplizierte Rolle in der hybriden Kultur Mexikos einnimmt. Sie trägt die Haube der Tehuana-Frauen aus der Region Oaxaca, die z.B von Frida Kahlo als Symbol der mexikanischen Kultur und Geschichte dargestellt wurde.
Mexican Stones
Die Zeichnungen der Serie "Hecho en México" verbinden Magañas Auseinandersetzung mit dem Tod in der Form des Skeletts mit einer Abstraktion der kontrastreichen Landschaften Mexikos: Trockene Flussbette und bunte Betonbauten werden in eigene Bildsprache überführt. Die Zeichnungen haben aber nicht nur eine rein symbolische Verbindung zu den Steinen Mexikos, sondern eine materielle: die verwendeten ockerfarbige und brauntönige Pigmente sind aus Steinen gewonnen, welche die Künstlerin vor Ort gesammelt hat. Diese werden in Verbindung mit der alten Technik des Eitempera eingesetzt. Die selbe Technik verwendet Magaña auch zur Darstellung der auf Agaven oder Pilzen beruhenden Strukturen in ihrer Malerei. Es entsteht ein raue, sandige Oberfläche, die mit den blauen und roten Primärfarben kontrastiert. In den beiden Bildern "Bovist" (Lycoperdon perlatum, nach Paul-André Robert) und "sin titulo (2019.10)" verwendet sie für das Pigment den Sporenpulverabwurf von Pilzen. Das Experimentieren mit mineralischen und organischen Pigmenten, sowie ihre Arbeit mit Knochen und Tierpräparaten, verweist auf Magañas langjähriges Interesse an medizinhistorischen und naturhistorischen Prozessen, was sich auch in Formen des Displays wie der Vitrine oder dem Käfig zeigt
Diese beiden Aspekte ihrer künstlerischen Praxis vereinen sich auch in den mit Wachsblumen dekorierten Geweihen: Einerseits greifen diese – bewusst an der Grenze zum Kitsch – wieder die Ikonografie der mexikanischen Volkstraditionen auf, so werden z.B. Wachsblumen zu Kränzen geflochten, die Heiligenaltäre schmücken (die sogenannten Cera escamada), und die Zuckerschädel gehören zur Feier des Día de los Muertos, wobei sie meist Häuser oder Gräber dekorieren. Andererseits stehen gerade auch Wachsblumen in einer langen Tradition der naturwissenschaftlichen Darstellung.
Renée Magañas Kunst bedient sich demnach verschiedener Traditionen und Ikonografien, von den frühmodernen Wissenschaften und Künsten bis zur mexikanischen Folklore und Geschichte: Eine Konfrontation verschiedener Welten die immer neue Konstellationen von Objekten, Bildern und Collagen hervorbringt.
Text: Kate Whitebread, 2020